Iran: “Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.”

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Ein Interview über die Pandemie, Wirtschaftskrise, Repression und Widerstand im Iran

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Auf der ganzen Welt brechen die Kompromisse die den Kapitalismus im 20. Jahrhundert stabilisiert hatte zusammen – und die Menschen sehen sich zunehmend autoritären Maßnahmen ihrer Regierungen (egal welcher Couleur) gegen über. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass soziale Bewegungen in unterschiedlichen Kontexten voneinander lernen, um einen weltweiten Widerstand gegen den Kapitalismus und die staatlichen Strukturen, die ihn aufzwingen, zu entwickeln. In diesem Interview erkunden zwei iranische Radikale, welche Arten von radikaler Organisierung und Theoretisierung heute im Iran im Kontext der jüngsten Protestbewegungen und staatlichen Repression stattfinden.

Die Fotos zeigen zeitgenössische politische Graffiti im Iran, mit freundlicher Genehmigung von anarchistischen Genoss*innen aus Teheran.


Dieses Interview begann als ein Gespräch zwischen ein paar Gefährt*innen. Ursprünglich als ein Gespräch über ein paar Wochen gedacht, wurden daraus drei Monate, in denen wir uns die Zeit stahlen, um einige Gedanken niederzuschreiben, während wir mit der staatlichen Repression durch das iranische Regime konfrontiert waren. Trotz dieser Verzögerung ist der Hauptzweck dieses Interviews von Anfang an unverändert geblieben: die Genossinnen und Genossen im globalen Norden über den aktuellen Stand der Dinge im Iran zu informieren und auf den neuesten Stand zu bringen, über die Jahre des Kampfes 2015-2018, die in einer landesweiten Streikwelle gipfelten, darüber, wie die COVID-19-Pandemie die sozialen Bewegungen beeinflusst hat, über die anhaltenden Auswirkungen von Sparmaßnahmen und internationalen Sanktionen und über die Reaktion der Regierung sowohl auf die Proteste als auch auf die zunehmenden geopolitischen Spannungen, seit die USA ihre Unterstützung für den Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (d.h., den “Iran Nuclear Deal”) im Mai 2018 zurück nahm.

Die Identitäten der beiden Genoss*innen werden angesichts der drohenden Repressionen durch die iranische Regierung anonym bleiben.

“Aban 98” - eine Anspielung auf die Proteste im November 2019 nach dem persischen Kalender.


Hier in den USA wurde die Medienberichterstattung von zwei Ereignissen dominiert: der globalen Pandemie und dem jüngsten Aufstand gegen die Polizei, der als Reaktion auf die Tötung von George Floyd durch die Polizei am 25. Mai ausbrach. Wenn man bedenkt, dass die US-Medien wenig Informationen über das tägliche Leben der Iraner*innen und den Zyklus der Kämpfe, die sich in den letzten Jahren über das Land ausgebreitet haben, liefern, kann man mit Sicherheit sagen, dass die amerikanische Öffentlichkeit und die US-Linke weitgehend im Dunkeln darüber tappen, was es bedeutet, heute im Iran zu leben und zu kämpfen. Könntet ihr damit beginnen, uns über die Zusammensetzung und die verschiedenen Strömungen innerhalb der iranischen Linken, wie sie derzeit existiert, aufzuklären? Wie haben die verschiedenen Gruppen und Organisationen auf die sich verschärfenden Auswirkungen der wirtschaftlichen, politischen und epidemiologischen Krisen reagiert?

J: Lasst mich mich mit einem Kommentar zu eurem ersten Punkt beginnen, der natürlich wahr ist. Das Leiden des täglichen Lebens im Iran ist unterrepräsentiert, nicht nur in den US-Medien, sondern in allen internationalen Medien, die sich auf die Nachrichten aus dem Iran über geheime Explosionen, nukleare Kontroversen, militärische Spannungen mit den USA und ihren Verbündeten usw. stürzen. Die große Politik ist blind für dieses Leiden; die Mainstream-Medien sind es auch. Und die Situation ist in den letzten Monaten nur noch schlimmer geworden. Die Landeswährung wertet so schnell ab, wie die Kosten für die wesentlichen Güter und Dienstleistungen steigen. Arbeitslosigkeit ist weit verbreitet. Die Zahl der Selbstmorde hat zugenommen. Es gibt einen Mangel an Medikamenten für verschiedene chronische Krankheiten. Die Wohnungspreise sind in die Höhe geschnellt. Die Menschen in den Großstädten, vor allem in Teheran, haben auf tragisch “innovative” Lösungen für die Unterbringung zurückgegriffen: Sie leben in provisorischen Zelten, leben in einfachen, schutzraumähnlichen Strukturen, mieten die Dächer anderer Häuser und Wohnungen und stellen dort ihre Zelte auf, leben in ihren Autos… Nach offiziellen Statistiken lebt mindestens ein Drittel der städtischen Bevölkerung in Slums.

Nun, lasst mich auf eure Frage zurückkommen. Von linken Organisationen im Sinne des “gesunden Menschenverstandes” zu sprechen, ist im Kontext des Iran schwierig. Die Islamische Republik betrachtet jede beständige oppositionelle Kollektivität als Bedrohung. Selbst wenn man sich organisiert, um Filme zu sehen, Bücher zu lesen usw., besteht eine gute Chance, zum Verhör vorgeladen zu werden. Dennoch haben wir in einer solchen Atmosphäre eine Vervielfachung der Organisationsbemühungen unter Fabrikarbeitern, Lehrerinnen, Pflegekräften, Lastwagenfahrern, Bahnarbeiterinnen und anderen so genannten essentiellen Arbeiter*innen gesehen. Darüber hinaus hat sich die linke Studentenbewegung in den letzten Jahren reorganisiert und auch die am meisten verbreiteten Slogans der jüngsten Proteste kreiert. Es gibt eine Frauenbewegung, die ein breites Spektrum an politischen Positionen umfasst, die stark unterdrückt wurde, als sie sich in den letzten Jahren stärker durchsetzte. Wenn wir uns auf einen Oberbegriff wie “linke Politik” im Iran konzentrieren und Linke hier als von verschiedenen marxistischen Traditionen inspiriert betrachten, dann können wir vier Trends aufzeigen: Syndikalismus, linker Nationalismus, Anti-Neoliberalismus und Antiimperialismus. Es ist in vielerlei Hinsicht nicht die beste Kategorisierung, und es gibt Überschneidungen zwischen diesen Trends, aber wie ich weiter erläutern werde, wird sie unserem Zweck dienen, die linke Politik im Iran zu kartieren.

Es gibt zwei Tendenzen des Syndikalismus unter den organisierten Arbeitern im Iran. Das Haft-Tappeh Sugar Cane Factory Workers Independent Syndicate ist ein bemerkenswertes Beispiel. Die Arbeiter*innen des Haft-Tappeh-Industriekomplexes im Süden des Irans, in der Provinz Khuzestan, haben sich autonom organisiert und in den letzten Jahren einen harten Kampf geführt, bei dem alle ihre Hauptorganisatoren verhaftet und einige gezwungen wurden, im nationalen Fernsehen Geständnisse abzulegen. Erzwungene Fernsehgeständnisse dienen in der Islamischen Republik seit langem als Strategie der Unterdrückung. Ihr Kampf gegen die Privatisierung des Unternehmens und die Korruption der Eigentümer, Manager und Beamten dauert jedoch bis heute an. Sie haben die Verwaltung der Fabrik und ihrer Ressourcen durch die Arbeiter*innen gefordert. Sie sind auch ein Beispiel für eine basisdemokratische, nicht-hierarchische und autonome Organisation. Sie wählen die Repräsentanten des Syndikats, aber die Repräsentanten entscheiden nicht im Namen der Arbeiter*innen, und alle Entscheidungen bezüglich der Vorschläge des Managements und der Eigentümer in Verhandlungen mit ihnen werden einer Art Arbeiterversammlung vorgelegt, die diskutiert und angenommen oder abgelehnt wird. Das Haft Tappeh Syndikat ist die Verkörperung eines Syndikalismus, der lokal ist und lokal bleibt, mit einem Beharren auf lokaler, autonomer Arbeiterverwaltung.

Eine andere Form des Syndikalismus wird durch die Free Trade Union of Iran verkörpert. Die Anführer dieser Gewerkschaft sind ebenfalls alle verhaftet und strafrechtlich verfolgt worden. Sie fordern eine landesweite Gewerkschaft und eine unabhängige Organisation der Arbeiter*innen in jedem lokalen Kontext, aber sie haben eine eher von oben nach unten gerichtete Organisationsstruktur und konzentrieren sich nicht primär auf den lokalen Kontext.

Der linke Nationalismus hat auch seine verschiedenen Strömungen. Einige sind die Erb*innen der kommunistischen Parteilinie vom Beginn der 1980er Jahre, die ideologisch den Sowjets nahe standen, aber auch die Regierung der Islamischen Republik unterstützen (was sich hier mit dem überschneidet, was ich als Antiimperialismus erwähnt habe). Diese Linken konzentrieren sich auf “nationale Sicherheit” und “nationale Interessen” und die Verteidigung der nationalen Integrität im Sinne von Grenzen. Ein Teil von ihnen hat Probleme mit den Bewegungen von Minderheiten, wie Kurd*innen oder Araber*innen, und brandmarkt sie manchmal als “Separatisten”. Ein anderer Teil in der Opposition würde sogar mit rechtsgerichteten Oppositionsparteien oder Royalisten zusammenarbeiten, um eine “nationale” Koalition gegen die Islamische Republik zu bilden.

Der Antiimperialismus ist in den letzten Jahren angesichts der Spannungen mit den USA und der Wahrscheinlichkeit eines Krieges auf dem Vormarsch. Aber die antiimperialistische Linke hat nun zwei unterschiedliche Linien: eine, die sich ausschließlich über ihren Antiimperialismus definiert, und eine, die den Antiimperialismus als Teil ihres Diskurses hat. Während beide weitgehend theoretische Strömungen sind, ist die letztere vor allem eine Form der zeitgenössischen kritischen Theorie und die erstere eine Rückkehr des kommunistischen Mainstream-Diskurses der 1970er und 80er Jahre, der eine Koalition mit der Islamischen Republik gegen den amerikanischen Imperialismus eingehen würde. Diese Antiimperialisten verteidigen nun die Islamische Republik und ihre Interventionen in Syrien und im Irak und anderswo. Nicht anders als die “offizielle” kommunistische Partei in Syrien selbst, die zuerst Assads brutale Durchführung des Endokolonialismus [Kolonisierung im Inneren] und seineKonterrevolution unterstützte und viele ihrer Mitglieder an die Wellen der Revolution verlor. Die ultrarechte Opposition, die hauptsächlich aus Royalisten besteht, die die Trump-Administration unterstützen und von ihr unterstützt werden, führt diese Strömung der iranischen Linken in ihrer Propaganda auf, um die Linke als Ganzes zu dämonisieren.

Anti-Neoliberalismus ist ein Überbegriff für eine andere heterogene Strömung des linken Denkens im Iran: von studentischen Aktivist*innen, die ihren Kampf klar als “gegen den Neoliberalismus” bezeichnen und sich mit ähnlichen Bewegungen gegen neoliberale Wirtschaftspolitik und Gouvernementalität in Frankreich und im Libanon und in Chile solidarisieren, über Fraktionen der syndikalistischen Linken bis hin zu anderen Gruppen und Kreisen, die vor allem im Bereich der zeitgenössischen Theorie, der kritischen Theorie und der politischen Ökonomie arbeiten. Es gibt noch andere Kräfte, die in meiner Schematisierung der iranischen Linken nicht erfasst werden können - die verschiedenen Kräfte unter den militanten Minderheiten: Kurd*innen, Araber*innen, Belutschen, usw. Wir sollten auch bedenken, dass es eine Kluft gibt zwischen einer Linken, die eher zur Aktion/Praxis neigt, und einer Linken, die eher zur Theorie/Schriftstellerei neigt (manchmal als “kulturelle” Marxist*innen1 bezeichnet). Eine weitere Kluft ergibt sich aus der allgemeinen Perspektive dieser politischen Positionen in Bezug auf die Frage des Staates: Ist die Rückeroberung der Macht und die Neukonzipierung der Funktionalität des Staates notwendig für eine emanzipatorische Politik oder sollte jede emanzipatorische politische Bewegung über die Frage des Staates und seiner hierarchischen Organisation hinausgehen? Es gibt auch eine allgemeine Kluft in dieser Frage zwischen den Linken innerhalb und außerhalb des Irans.

Nun, es gibt Fälle von Solidarität unter einigen dieser Strömungen. Ein Beispiel dafür war eine Erklärung, die viele Linke aus unterschiedlichen politischen Positionen und Standpunkten nach der Coronavirus-Krise unterzeichneten und in der eine Umverteilung des Reichtums, eine universelle Gesundheitsversorgung, Freiheit für politische Gefangene sowie für andere Gefangene, die gewaltfreier Verbrechen beschuldigt werden, sozialer Wohnungsbau, besondere Aufmerksamkeit für Slums und so weiter gefordert wurden.

Bis auf einzelne Ausnahmen sind alle Kräfte der Linken gegen die US-Sanktionen und ihre Politik des Regimewechsels im Iran. Nicht, weil diese Kräfte das theokratische Regime nicht stürzen wollen, sondern weil die amerikanische Regierung ihre Unterstützung für die neoliberalsten, rechtsgerichteten, nationalistischen Kräfte in der Opposition gezeigt hat und schließlich kommt nichts Gutes aus neokolonialen Auslandsinterventionen - wie zum Beispiel im Fall von Westasien und Nordafrika.

J-P: Natürlich ist es nachvollziehbar, dass die Medien bedeutenden Ereignissen wie der Pandemie oder den antirassistischen Protesten in den USA so viel Aufmerksamkeit schenken. Das Problem liegt aber in der Herangehensweise und in der Darstellung dieser Ereignisse. Ich glaube, sie wissen genau, dass die Revolution nicht im Fernsehen übertragen wird, nicht in den USA und schon gar nicht im Nahen Osten. Aber das ist hier nicht das Problem.

Der Grund dafür, dass ihr das Gefühl habt, im Dunkeln zu tappen und in dieser Angelegenheit aufgeklärt werden zu müssen, liegt zum Teil an der inkohärenten Situation der verschiedenen Strömungen innerhalb der iranischen Linken. Dieser zersplitterte Zustand könnte als Überlebensstrategie betrachtet werden, da jede Art von Artikulation oder Vermittlung zwischen diesen Strömungen mit allen Mitteln unterbrochen wird. Aber sie stellt auch ein Hindernis dar, das die iranische Linke überwinden muss, wenn sie irgendeine Art von konkreter Veränderung erreichen will. Außerdem impliziert diese Situation, dass auch wir die Notwendigkeit teilen, uns über dieses Thema zu informieren, und wir suchen nach Antworten auf ähnliche Fragen. Am wichtigsten ist, dass dieser diffuse Zustand es unmöglich macht, ein wahres Bild aller Strömungen innerhalb der Linken zu behaupten, da jede Komponente besser über ihr unmittelbares Aktionsfeld Bescheid weiß und möglicherweise einige andere Komponenten vernachlässigt. Anstatt also eine detaillierte Liste zu erstellen, müssen wir vom Gesamtbild der iranischen Linken ausgehen. Es gibt eine große Kluft zwischen dem, was die iranische Linke heute tatsächlich ist, und dem vielversprechenden Potenzial, das sie für einen radikalen Wandel in der Region in sich trägt.

Wenn man sich die tatsächliche Position der Linken heute ansieht, erkennt man verschiedene intellektuelle und diskursive Verbesserungen in Bezug auf Themen wie Gender, Prekarität, Minderheiten usw. Aber das hat keine tatsächliche Auswirkung auf den Ausgang vieler entscheidender Fragen, vom Coronavirus bis zu Sanktionen, von der Unterdrückung von Minderheiten bis zu traditionell linken Fragen wie einem existenzsicherenden Lohn. Es muss nicht erwähnt werden, dass wir in einer überdeterminierten Situation mit so vielen in- und ausländischen Akteuren leben und kämpfen, die trotz ihrer divergierenden und unterschiedlichen Interessen letztlich in ihrer Opposition zur Linken integriert sind. So ist es unvermeidlich, dass die Linke in Ermangelung einer tragfähigen Organisation oder eines greifbaren Programms in unmittelbaren Angelegenheiten keine dominante Rolle spielt. Aber wenn man sich den Verlauf der Ereignisse ansieht, und angesichts der vielfältigen und sich verstärkenden Auswirkungen verschiedener Krisen - von der politischen Legitimität bis zur Befriedigung der Grundbedürfnisse, von sozialen Fragen bis zu Naturkatastrophen wie Erdbeben - und jeden Tag mit einer neuen Krise aufwacht, wird man feststellen, dass keiner dieser Akteure eine kohärente Antwort auf all diese Fragen präsentieren kann. Die Linke hingegen schafft trotz ihrer organisatorischen Inkohärenz einen Diskurs, der unsere sozialen, politischen und kulturellen Probleme gleichermaßen angehen könnte. Das ist der Grund, warum unsere Regierung ein eigens gefälschtes linkes Bild fördert, das gemeinhin als “Achse des Widerstands” bezeichnet wird. Aber das ist ein so wichtiges Thema, dass wir es separat diskutieren werden.

Was die Zusammensetzung und die Strömungen innerhalb der iranischen Linken anbelangt - so unpassend es auch erscheinen mag - könnten die Kategorien, die die Regierung verwendet, um diese Strömungen zu klassifizieren, ein aufschlussreicher Ansatzpunkt über die Dynamik innerhalb dieser Strömungen sein. Vor nicht allzu langer Zeit hatten die Geheimdienste drei Kategorien für alle linken Aktivist*innen. Erstens das, was sie die “Arbeiterlinke” nannten, was sich offensichtlich auf linke Strömungen unter den Arbeiter*innn bezog; dann gab es die “marxistische Linke”, die sich hauptsächlich auf organisierte Aktivist*innen bezog, die gewöhnlich mit linken Parteien in Verbindung gebracht wurden; und schließlich gab es die “kulturelle Linke”, die manchmal als “neue Linke” bezeichnet wurde, die die Intellektuellen waren, die gewöhnlich in größeren Städten ansässig waren und manchmal Verbindungen zu anderen Komponenten der Bürgerbewegungen hatten. Sie hatten eine klare Vorstellung von den Potenzialen dieser Kategorien - und natürlich auch davon, wie man jede von ihnen unterdrücken kann.

Aber seit 2017 hat eine Veränderung in der internen Dynamik dieser Kategorien, kombiniert mit einer zunehmenden Popularität der Linken unter anderen Aktivist*innen und progressiven Kräften, diese Konzeption obsolet gemacht. Seitdem nimmt die sogenannte kulturelle Linke aktiv an Arbeiterdemonstrationen teil, die sogenannte marxistische Linke hat neue Ansätze gegenüber “unorganisierten” Massen angenommen, und die Arbeiterlinken führen eine neue Ebene des Kampfes, indem sie sich auf ihre Genoss*innen außerhalb des Arbeitsplatzes verlassen. Daher ist die Zusammensetzung der iranischen Linken ein work in progress, und sie hat noch so viele neue Bedeutungen zu entfalten. Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass das alte (Selbst-)Verständnis irrelevant für den neuen Weg ist, den die Linke seit 2017 eingeschlagen hat. Heute kann man eine starke linke Strömung in den meisten Organisationen und Affinitätsgruppen beobachten; unter Lehrern, Arbeiterinnen, Studentinnen, Frauenaktivistinnen, Intellektuellen, etc. Es scheint, dass die Menschen weniger auf ihre Identität als “links” fixiert sind, sondern dass linke Strömungen und Tendenzen in vielen dieser Gruppen die Initiative ergreifen.

“Die Bankkonten sind voll mit Blut”

Was war die Ergebnisse der Streikwelle 2018, die im ganzen Iran stattfand - die Arbeiter*innen von Haft Tapeh Sugar Cane im Norden, die Arbeiter*innen von National Steel in Ahvaz im Süden und die LKW-Fahrer*innen des Landes, die drei landesweite Streiks organisierten? Damals schien es, dass dieser Kampfzyklus durch zwei Schlüsselfaktoren bedingt war, die beide viel mit der Frage des globalen Kapitalflusses in Richtung Finanzen und Liquidität zu tun haben (die beiden Indikatoren dafür, dass sich das Kapital von der Produktion weg und hin zur Zirkulation verlagert hat): die Wirtschaftssanktionen der USA, die aus ihrem Rückzug aus dem Iran-Atomabkommen im Jahr 2019 resultierten, und der Verfall des Rial auf dem Weltmarkt. Wäre es richtig zu sagen, dass dies Schlüsselfaktoren waren, die zu der Streikwelle geführt haben? Und wie hat sich die Situation im Land seither verändert, insbesondere mit den sich verstärkenden Auswirkungen der Sanktionen neben der COVID-19-Pandemie?

J: Der antiwestliche Diskurs der Islamischen Republik sollte niemanden täuschen. Von ihrem Obersten Führer Khamenei bis zu ihrem Präsidenten Rouhani unterstützt das Regime die freie Marktwirtschaft und einen groß angelegten Privatisierungsplan, der schon seit Jahrzehnten im Spiel ist. Es ist eines der größten in der Region, neben der Türkei, Pakistan und neuerdings auch Saudi-Arabien. Das iranische Regime wollte schon immer der Welthandelsorganisation beitreten und hat die Restrukturierungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) befolgt. Die Auswirkungen dieser neoliberalen Politik sind sichtbar in der “Reform” des Gesundheitssystems, des Wohnungssektors, des Rentensystems, der Entsubventionierung von Energiequellen, einer starken Bewegung in Richtung Privatisierung durch den Börsenmarkt, dem exponentiellen Wachstum der Finanzinstitutionen und des privaten Bankwesens, der Aufstellung von Sparhaushalten und massiven Entlassungen in ehemals staatlichen Fabriken und großen Unternehmen.

Das ist die Situation, die als Hintergrund für die Streikwelle diente, die ihr erwähnt. Es handelt sich um einen Zyklus von Kämpfen, der um das Jahr 2015 herum begann und eine Intensivierung der täglichen Aktionen unter den von dieser Politik betroffenen Arbeiter*innen, den Bürgern, die von den neuen privaten Finanzinstituten (die mit den Revolutionsgarden in Verbindung stehen und in wenigen Jahren bankrott gingen) verschuldet oder buchstäblich ausgeraubt wurden, Minderheiten und marginalisierten Gemeinschaften, deren Lebensgrundlage durch die umweltfeindliche Entwicklungspolitik oder einfach durch die Nachlässigkeit der Zentralregierung gefährdet war. Berichten zufolge gab es in dieser Zeit im Durchschnitt täglich sechs bis acht lokale Proteste im ganzen Land.

Es ist wahr, dass die US-Sanktionen zu den Protesten beigetragen haben, allerdings indirekt. Die Sanktionen erschwerten das tägliche Leben und entzogen der Regierung die finanziellen Mittel. Aber wie gesagt, die Neoliberalisierung und der allmähliche Abbau des nach der Revolution etablierten Semi-Wohlfahrtsstaates sollten als Hauptursache für die Proteste gesehen werden. Wie ein berühmter Slogan der Aban-Proteste es formulierte: “Unser Feind ist hier / sie lügen, dass er in den USA ist”. Nun, ich erwähnte den Semi-Wohlfahrtsstaat, der nach der Revolution eingerichtet wurde… hier gibt es eine wichtige Überlegung. Selbst wenn es eine Art Wohlfahrtssystem für die normalen Bürger*innen gab, wurde dies, wie in jedem anderen rassistische Staat, auf Kosten der Minderheiten etabliert. Belutschische, arabische und kurdische Gebiete sind viel unterentwickelter, und die Umweltprobleme, die aus der nicht nachhaltigen Entwicklung zugunsten des Zentrums resultieren, sind schlimmer. Die tief verwurzelten identitätsbasierten (religiösen oder ethnischen) Diskriminierungen sind ein weiterer Grund für soziale Proteste.

Wie ihr zu Recht erwähnt habt, haben die COVID-19-Epidemie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen die Unzufriedenheit verstärkt. Aber die iranische Regierung, die sich bereits inmitten einer Wirtschaftskrise befand, hat die Wirtschaft viel früher wieder geöffnet, als es nötig gewesen wäre, und die Arbeiter*innen mussten trotz der Bedrohung durch das Coronavirus arbeiten. Dies ist ein weiteres Zeichen für die neoliberale Herangehensweise der iranischen Regierung an soziale Probleme, bei der sie alle Aspekte des Lebens auf die Tauschwirtschaft reduziert. Die Krise hat jedoch zu einer Verschärfung der Proteste von Gesundheitsarbeiter*innen und Krankenpflegeden geführt, die während der Pandemie mit 89-Tage-Verträgen beschäftigt waren, ohne erkennbare Anerkennung für diese harte Arbeit.

Im Moment wüten die Proteste wieder im Iran. Die Arbeiter*innen von Haft-Tappeh befinden sich an ihrem 78. Streiktag und ihre Hauptforderung ist die Rücknahme der Privatisierung, neben anderen Forderungen bezüglich Lohn- und Arbeitsplatzsicherheit und Krankenversicherung. Zusätzlich haben einige Arbeiter*innen auf den Ölfeldern Streiks durchgeführt. Fabrikarbeiter*innen u.a. in Tabriz, Arak, Mahshahr und Asaluyeh, Eisenbahnarbeiter*innen in Teheran und Khorasan und Semnan, Lehrer*innen und Gemeindearbeiter*innen und viele andere protestieren wieder täglich. Die Linke im Iran ist darauf bedacht, sich von jeder amerikanischen Initiative gegen die Islamische Republik fernzuhalten, und sie lehnt zu Recht Sanktionen und jede Idee einer ausländischen Intervention ab. Als eine Gruppe aus der royalistischen Pro-Trump-Opposition begann, Unterstützung für den Haft-Tappeh-Kampf zu äußern, veröffentlichte der Telegramm-Kanal der streikenden Arbeiter*innen einen Beitrag, in dem sie ihre Unterstützung zurückwiesen und sagten: “Ihr seid Agenten von Staaten, keine Unterstützer der Menschen.”

J-P: Lasst mich die Antwort auf diese Frage mit einem beliebten Meme beginnen, das vor der neuen Sanktionswelle viral ging. Das erste Bild war ein alter, offenbar unterprivilegierter älterer Mann, der mit einem Blick äußerster Verzweiflung auf einer Treppe sitzt. Die Bildunterschrift lautete “vor dem Atomdeal”. Darunter war das exakt gleiche Foto mit der Bildunterschrift “nach dem Atomdeal”. Die Sanktionen sind nicht die Wurzel des Problems; sie verschärfen die Situation nur. Die Privatisierung und die Anweisungen des IWF sind die Hauptfaktoren, die zur Streikwelle geführt haben. Die Politik begann unmittelbar nach dem Krieg zwischen dem Iran und dem Irak (1988), und sie ist seitdem Hand in Hand mit unvorstellbarer Korruption gewachsen. Die Probleme in den beiden von euch erwähnten Unternehmen (beide liegen im Süden des Irans) begannen, nachdem sie an den privaten Sektor übergeben wurden. Die Dokumente darüber, wie und unter welchen Bedingungen Haft Tapeh übergeben wurde, sind immer noch vertraulich; heute, da die neue Streikwelle in Haft Tapeh stattfindet (und sie demonstrieren seit drei Monaten in der Stadt Shush), mussten die Arbeiter*innen den Raubritter von Besitzer davon abhalten, die Ausrüstung des Unternehmens zu verkaufen. Einige Gelehrte wie Mehrdad Vahabi nennen dies den “Raubstaat”, der mit einigen kapitalistischen Aspekten unserer Gesellschaft koexistierte.

Der räuberische Staat und die so genannte Privatisierung, die Schlüsselfaktoren der Degradierung der Arbeiterklasse, bestanden also schon vor den Sanktionen und setzten sich auch nach ihnen fort. Das Problem mit den Sanktionen ist, dass sie auf das wirkliche Potenzial unserer Gesellschaft abzielen, einen radikalen Wandel zu vollziehen. Sie sind dazu gedacht, die Massen unter Druck zu setzen - um es noch schwieriger zu machen, sich zu organisieren -, und sie bieten die beste Ausrede für gewaltige innenpolitische Repressionen und eine geeignete Plattform für die immer größer werdende Korruption der Raubrittertruppen.

“Brot, Arbeit, Freiheit - kämpft bis zur Befreiung.”

Wie hat die iranische Regierung auf die Pandemie reagiert? Welche Auswirkungen haben die US-Sanktionen auf die Reaktion der Regierung gehabt? Und hat die Pandemie der iranischen Linken neue Wege der Mobilisierung und neue Bündnislinien eröffnet?

J: Wie ich in der Antwort auf die vorherige Frage kurz sagte, war die Regierungspolitik, dass der Tauschwert wichtiger ist als der Wert des menschlichen Lebens. Aber das ist keineswegs einzigartig für die islamische Regierung, genauso wie die vielen Fehler und Vertuschungen im Umgang mit der Corona-Krise. Um nur einige zu nennen: die Regierung hat die wahren offiziellen Statistiken verschleiert, wie durchgesickerte Dokumente gezeigt haben. Die offizielle, aber nicht bekannt gegebene Zahl der Todesopfer ist dreimal so hoch wie die öffentlich gemachte Statistik, und auch die Zahl der Erkrankten nähert sich diesem Verhältnis. Das Virus war bereits im Iran, etwa zu der Zeit, als Wuhan in China unter Quarantäne gestellt wurde, aber weil die von der Regierung organisierten Demonstrationen zum Jahrestag der Revolution von 1979 sowie die Parlamentswahlen vorangingen, meldete man es nicht an die Öffentlichkeit, so die durchgesickerten Dokumente. Gleichzeitig gewährte die Regierung weder finanzielle Erleichterungen oder Unterstützung für die Bürger*innen, noch stellte sie den zumeist afghanischen Flüchtlingen und Einwanderern, die keine ordnungsgemäßen Dokumente besitzen, die notwendige Unterstützung zur Verfügung.

Die US-Sanktionen haben einen Einfluss auf die Reaktion auf COVID-19 im Iran gehabt. Washington sagt, dass die Sanktionen nicht die Einfuhr von Medikamenten und medizinischen Geräten und anderen humanitären Gütern blockieren. Technisch gesehen ist das richtig. Aber ihre sekundären Sanktionen auf Finanztransaktionen mit iranischen Banken, ihre rücksichtslose Verfolgung der Händler*innen und die Notwendigkeit, eine Ausnahmegenehmigung für den “humanitären” Handel mit dem Iran zu beantragen, haben dazu geführt, dass viele Exporteure von medizinischen Geräten Angst haben, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Laut der Statistik des US-Finanzministeriums ist die Zahl der Anträge auf Sanktionsbefreiung im Falle des medizinischen Handels mit dem Iran von 220 im letzten Quartal 2016 (Obamas letztes Quartal) auf nur 36 Fälle im ersten Quartal 2019, den letzten verfügbaren Daten zu diesem Thema, zurückgegangen.

Aber noch einmal: Die Schwierigkeiten, die sich aus den US-Sanktionen ergeben, sollten uns nicht blind machen für die jahrzehntelange Neoliberalisierung der iranischen Wirtschaft, die Kürzungen des Gesundheitsbudgets und die Erhöhungen des Militärbudgets, die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, die Prekarisierung der wesentlichen Arbeitskräfte und ähnliches. Was den letzten Punkt der Frage betrifft, kann ich keine eindeutige Antwort geben. Zu Beginn der Epidemie sind neue kollektive und lokale Initiativen entstanden, die Pflege und Unterstützung anbieten. Aber mit der Verschärfung der Krise wurden sie schwächer. Die Pandemie im Iran, wie auch an vielen anderen Orten der Welt, hat ein Licht auf die strukturelle Gewalt geworfen, die durch klassenbasierte Ungleichheiten, Neoliberalisierung und verschiedene Formen der Diskriminierung verursacht wird. Muss sich dies in einer Art von weit verbreiteter gesellschaftlicher Solidarität niederschlagen? Che Guevara sagt: “Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker”, und Massumi beschreibt eine solche affektive Solidarität als eine “Zugehörigkeit im Werden.” Die Situation im Iran führt unter diesem Gesichtspunkt nicht zu einem massenhaften revolutionären Werden, zu einer weit verbreiteten Solidarität. Die sozialen Spaltungen sind verschärft; die Zersplitterung der gesellschaftlichen Produktivkräfte, die Negri als “Salami aus sozialem Fleisch machen” bezeichnet, ist überwältigend. Und eine revolutionäre Bewegung, die so mächtig ist, dass sie alle Unterschiede in einem strategischen Kampf gegen das Regime vereinen kann, steht noch aus.

J-P: Die Reaktion der Regierung auf die Pandemie war im Grunde ähnlich wie bei anderen rechten Regierungen rund um den Globus. Zuerst waren auch sie überrascht und leugneten die Existenz oder später die Bedeutung der Pandemie. Später organisierten sie sich neu, um die Öffentlichkeit mit diesem Problem allein fertig werden zu lassen, und sie gaben der Öffentlichkeit sogar die Schuld an der Pandemie. Es wurde also keine offizielle Quarantäne verkündet, da die Regierung nur eine minimale Verantwortung übernehmen musste, und seither haben sie nur die Bedürfnisse der großen Unternehmen berücksichtigt.

Unsere besonderen Probleme rund um dieses Thema rühren von zwei Faktoren her. Der eine sind die ideologischen Elemente, die für das Machtgefüge wichtig sind - zum Beispiel haben wir in diesen Tagen die Moharram-Zeremonie, eine Art Karneval ohne soziale Distanzierung, und es war die Regierung, die beschlossen hat, diese Zeremonie abzuhalten. Der andere Faktor ist die Privatisierung des Gesundheitssystems und anderer Formen der Reproduktions- oder Pflegearbeit, was die kollektive Selbstfürsorge noch schwieriger macht.

Die Sanktionen sind Teil des Verhandlungsprozesses zwischen der politischen und wirtschaftlichen Elite; sie haben keine greifbaren Auswirkungen auf dieses Thema. Außerdem würde sich mit oder ohne Sanktionen die Lage der Bevölkerung angesichts der Pandemie nicht verbessern. Auf der anderen Seite hat die Linke verheerende Belastungen erfahren. Als Teil unserer verletzlichen Öffentlichkeit musste die Linke mit der Pandemie allein fertig werden (wir haben eine glaubwürdige und einflussreiche Ikone, Fariborz Raees-Danna, durch das Virus verloren); der wirtschaftliche Druck und die Arbeitslosigkeit haben die iranische Linke damit beschäftigt, über die Runden zu kommen, und das wird nur noch schlimmer werden; und das Fehlen einer kohärenten Politik hat es der Linken und anderen fortschrittlichen Kräften unmöglich gemacht, Treffen abzuhalten oder sich auch nur in geschlossenen Räumen zu treffen. Es gab also keine besonderen Wege oder Möglichkeiten für die Linke, aber die Pandemie hat verschiedene Klüfte vergrößert, am wichtigsten zwischen der Regierung und der Bevölkerung.

“Hinrichtung ist vorsätzlicher staatlicher Mord.”

Was sind eurer Meinung nach einige der wichtigsten Konsequenzen aus den Wahlen im Februar? Wenn wir die Abfolge der Ereignisse richtig verstehen, gibt es einen zweiten Wahlgang, der wegen der Pandemie auf September verschoben wurde. Was seht ihr in der Zwischenzeit als einige der Schlüsselfaktoren, die zu einem günstigen Ergebnis für die “Hardliner” oder prinzipielle Fraktion geführt haben? Und wie war die Reaktion der Linken, ob parlamentarisch oder außerparlamentarisch?

J: Ich habe erwähnt, dass die Islamische Republik die Ausbreitung des Virus in seinem Anfangsstadium vertuscht hat, um die Parlamentswahlen durchzuführen; sie wurde erst in der Nacht vor dem Urnengang bestätigt. Warum? Weil der Wächterrat der Verfassung, ein dem Obersten Führer nahestehendes Regierungsgremium, dafür sorgte, dass die Konservativen das Parlament dominieren würden, indem er auch viele “unbedrohliche” Reformisten disqualifizierte. Die Konservativen gewannen die Wahl mit der niedrigsten Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik. Nun ist der Chef des Parlaments der ehemalige Bürgermeister von Teheran, ein ehemaliger Kommandeur der Revolutionsgarden und ehemaliger Polizeichef, dem immense Korruption vorgeworfen wird, der aber dem Obersten Führer gegenüber sehr loyal ist.

Das einheitliche konservative Parlament ist eines der Puzzlestücke in der “Übergangsperiode”, womit die Auswahl des nächsten Obersten Führers gemeint ist. Und das Puzzle ist eine einheitliche konservative Regierung, die homogen genug ist, um sicherzustellen, dass der Übergang zum neuen Obersten Führer reibungslos verläuft. Das Parlament, alle Institutionen der so genannten “Republik” und ihr Repräsentationsapparat sind außer Gefecht gesetzt. In der Krise der Islamischen Republik geht es nicht mehr um “Legitimität” - es ist eine Krise an den Wurzeln der Gouvernementalität selbst. Einer der wichtigsten Slogans der Bewegungen der letzten drei Jahre war “Reformistisch, konservativ - das ist das Endspiel”. Der Slogan ist ein Echo ähnlicher Parolen, die auf dem Syntagma-Platz in Athen oder der “Puerta del Sol” in Madrid oder in den Straßen von Beirut in Bezug auf alle Parteien und Vertreter gerufen wurden: “Ihr seid alle raus”. Die Linke hat also nicht an den Wahlen teilgenommen, und historisch gesehen, nimmt sie auch nicht teil. Es gab einen kurzen Moment im Jahr 2016, bei den Stadtratswahlen, bei denen eine Art sozialdemokratische Linke eine Liste gebildet hat und versucht hat, in den Rat zu kommen, aber die konventionellen Reformisten haben mit überwältigender Mehrheit gewonnen und diese Linken haben nicht wirklich viele Stimmen bekommen.

An dieser Stelle ist es vielleicht aufschlussreich, die politischen Kräfte in der Islamischen Republik zu erklären, um sich über all die Begriffe klar zu werden, die wir hier im internationalen Kontext verwenden, denn im postrevolutionären Iran haben sie eine besondere Bedeutung.

Die Islamische Republik Iran (IRI) festigte ihre Macht, indem sie sowohl Rechtsliberale als auch linke Sozialisten und Kommunisten gewaltsam unterdrückte. Bis zum überraschenden Sieg von Mohammad Khatami bei den Präsidentschaftswahlen 1997 wurden die wichtigsten politischen Strömungen im postrevolutionären Iran jedoch als “die Linke” und “die Rechte” bezeichnet. Die Unterschiede zwischen diesen beiden politischen Strömungen innerhalb der Elite der Islamischen Republik traten nach der Amtsenthebung und anschließenden Flucht von Abolhassan Banisadr, dem ersten gewählten Präsidenten, in den Vordergrund.

Der rechte Flügel der IRI bestand aus traditionellen Kaufleuten (Bazaaris), dem traditionellen Klerus sowie Gegnern von Landreformen und Kritikern des staatlichen Interventionismus in der Wirtschaft. Der linke Flügel der Islamischen Republik hatte in den ersten Jahren der Revolution die Unterstützung von Ruhollah Khomeini. Sie forderten die Umverteilung des Reichtums durch Subventionen, die direkte Verteilung von lebenswichtigen Gütern und die Einführung starker Regulierungen auf den freien Märkten. Beide politischen Flügel unterstützten die Islamisierung, die Vormundschaft des islamischen Juristen (Velayat-e-Faghih) und antiimperialistische Diskurse.

Das dritte Parlament wurde von der Linken kontrolliert. Nach dem Tod Khomeinis und dem Aufstieg Khameneis zum Obersten Führer als Rechtsaußen wurde die Linke jedoch immer schwächer. Das vierte und fünfte Parlament wurden von der Rechten kontrolliert. Nach der Wahl Khatamis 1997 wurde die Dualität zwischen links und rechts in eine andere Dualität umformuliert, Reformisten versus Konservative (oder Prinzipalisten). Die früheren Differenzen zwischen links und rechts in Bezug auf die Wirtschaftspolitik sind hier nicht mehr trennend, da viele Reformisten und Konservative jetzt Befürworter des freien Marktes, des globalisierten Handels und der Privatisierung sind.

J-P: Die Wahlen im Iran waren schon immer systematisch ungerecht. In diesem Zusammenhang konnten nur nationale Wahlen (wie die Präsidentschaftswahlen) einen kleinen Unterschied machen. Diese Wahlen waren früher ein Medium, um interne Unstimmigkeiten und Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse zu lösen oder zu verschieben, indem man die Angelegenheit an die Öffentlichkeit verwies (was normalerweise deren Dissens und Wut gegen eine Gruppe von politischen Eliten mobilisierte). Obwohl dieser Prozess früher sorgfältig geplant und durchgeführt wurde, bot er immer noch einen gewissen Anschein von politischem Ausdruck für unsere Zivilgesellschaft.

Dieser Vermittlungsprozess wurde mit den Präsidentschaftswahlen 2009 aufgehoben. Zum einen wurden die internen Widersprüche zwischen der politischen und wirtschaftlichen Elite so offensichtlich, dass sie nicht einmal in eine unfaire Wahl passen konnten, und zum anderen wurde die interne Kluft in eine größere Kluft zwischen der Bevölkerung und der Regierung als Ganzes projiziert. Von nun an waren die Wahlen eine Reihe von Versuchen, den Bruch zu heilen, meist innerhalb der herrschenden Klasse und manchmal mit einem ausgewählten Teil unserer Zivilgesellschaft - namentlich der städtischen Mittelschicht bei der anschließenden Präsidentschaftswahl.

Innerhalb dieser Geschichte könnte man sagen, dass die Wahlen im Februar für sich genommen keine bedeutende Rolle spielen und die zweite Runde sogar noch weniger bedeutend sein wird. Aber sie markieren einen Wendepunkt in der Integrität der herrschenden politischen Elite. Man beachte, dass die so genannten Rivalen der letzten Präsidentschaftswahlen heute die Chefs der Exekutive, der Judikative und der Legislative sind. Die Wahlen im Februar markierten den Endpunkt in diesem Integrationsprozess - was selbstverständlich nicht bedeutet, dass ihre internen Interessenkonflikte gelöst sind. Die Leiter der drei Zweige haben bereits extralegale Entscheidungen getroffen, eine davon war die Erhöhung der Benzinpreise im vergangenen November, die zu einem beispiellosen nationalen Aufstand und einem Blutbad führte, bei dem Demonstrant*innen getötet wurden. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen werden wahrscheinlich die unbestreitbare Annullierung jeglicher Bezugnahme auf die Wahlurne ankündigen.

Was die Reaktion der Linken betrifft, so sollte ich anmerken, dass die Begriffe parlamentarisch und außerparlamentarisch auf die iranische Linke nicht zutreffen, da sie unter keinen Umständen anerkannt sind und seit 1983 alle linken Organisationen als illegal gelten. Aber im Rückblick auf den Aufstand im Dezember und Januar 2017 haben die Demonstrant*innen einen Slogan geschmiedet, der die Haltung der Linken in dieser Frage zum Ausdruck bringt: “Reformisten und Hardliner, eure Show ist vorbei!” Dieser Slogan, der weithin populär wurde, zeigte an, dass die Bevölkerung an den internen Konflikten der herrschenden Elite desinteressiert ist. Natürlich bieten diese Konflikte immer wieder eine Gelegenheit für ein politisches Ventil der Bevölkerung, aber keine der beiden Fraktionen vertritt die Interessen der Bevölkerung.

“Gegen alle Kriege - gegen alle Regierungen - gegen alle Unterdrückung”: ein CrimethInc. Plakat übersetzt von Anarchist*innen im Iran.

In den letzten Monaten haben Bilder und Artikel die Verbindung zwischen der Polizeiarbeit hier in den Vereinigten Staaten, in Hongkong und in Palästina hergestellt. Haben die Nachrichten über den Anti-Polizeiaufstand hier in den Staaten die Strategie der Linken, so wie sie derzeit existiert, im Iran ermutigt oder wurden sie beachtet? Wie hat die iranische Regierung auf den laufenden Aufstand hier reagiert oder darüber berichtet?

J: Das iranische Radio und Fernsehen steht unter der alleinigen Kontrolle des Obersten Führers und sie senden immer jede Art von Krise, Protest und Skandal in den USA. Die Linken wurden inspiriert, auf die gleiche Diskriminierung afghanischer Geflüchteter im Iran hinzuweisen und unterstützten ihr “Afghan Lives Matter”, aber das ging nicht über Social-Media-Hashtags hinaus. Die Kommunikation zwischen den Protestbewegungen in den USA und der iranischen Linken war meist eine emotionale, keine Übertragung von Taktiken oder Strategien. Das Gleiche gilt für die Protestbewegung in Hongkong.

Palästina jedoch ist anders. Es hat traditionell einen besonderen Status in der iranischen Linken. Viele linke Guerillakämpfer gegen die Diktatur des Schahs wurden von den Palästinensern ausgebildet oder arbeiteten mit Organisationen zusammen, die für die Sache Palästinas kämpfen. Jetzt bedeutet für einen Teil der Bevölkerung die Unterstützung Palästinas die Unterstützung der Islamischen Republik, da Teheran nach der Revolution die Hisbollah, den Libanon und die Hamas finanziell unterstützt hat.

J-P: Methoden der Polizeiarbeit, der Kontrolle und der Unterdrückung zirkluieren zunehmend unter den herrschenden Klassen der Welt, genauso wie Protesttaktiken und Nachrichten über Aufstände kursieren und die Menschen durch andere Proteste weltweit inspiriert und ermutigt werden. Ich würde zu sagen wagen, dass diese zweifache Beschleunigung gewisse Zusammenhänge mit dem immer stärker werdenden Kapitalfluss in der Zeit des Neoliberalismus hat. Aber die Untersuchung der Reaktionen der iranischen Regierung offenbart einen sehr entscheidenden Punkt. Pro-Regierungskräfte zündeten Kerzen zum Gedenken an George Floyd an, während vor einigen Monaten das Anzünden einer Kerze für die Opfer des Ukraine International Airlines Fluges 752 mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft wurde. Die regierungsfreundlichen Medien berichteten über alle Proteste nach dem Tod von George Floyd und betonten die ungerechte und illegale Tötung eines Bürgers - während die Sicherheitskräfte vor ein paar Monaten, im November 2019, Tausende von Demonstrant*innen töteten und sogar die Familien verhafteten, die Beerdigungen für ihre Angehörigen abhalten wollten. Ich möchte keine überzogenen Vergleiche anstellen, aber das internationale Bild der iranischen Regierung ist zutiefst verzerrt, und die internationale Linke und die progressiven Kräfte sind teilweise dafür verantwortlich. Die Regierung hat sich eine falsches antiimperialistisches Bild geschaffen, die von Progressiven, die gegen die imperialistische Macht der USA sind, unkritisch übernommen wird. Ich erinnere daran, dass ein Teil unserer Intellektuellen von einer glaubwürdigen Ikone wie David Harvey enttäuscht ist, nicht wegen seiner Theorie, sondern weil er an einer offiziellen Konferenz teilnahm, die implizit die antiimperialistische Haltung der iranischen Regierung bestätigte. Eine ähnliche Geschichte spielte sich ab, als Angela Davis eine Petition unterschrieb, die dieses Narrativ über die Regierung bestätigte, während Menschen auf den Straßen abgeschlachtet wurden. Glücklicherweise war Angela Davis so erfahren in den Überschneidungen verschiedener Unterdrückungen, dass sie ihren Namen bald von der Petition zurückzog. Die internationale Legitimität der Regierung hängt stark von der Förderung dieses falschen Bildes ab, und die progressiven Kräfte rund um den Globus kümmern sich normalerweise nicht genug darum, die Details zu untersuchen, sondern ziehen es vor, einen leichten Verbündeten gegen die imperiale Macht der USA zu umarmen.

Dieses Bild hat eine innenpolitische Projektion, die ich bereits als “Achse des Widerstands” erwähnt habe, eine Strömung von arbeiterorientierten orthodoxen Marxisten, die die Freiheit der Rede und der politischen Praxis genießen (was selbstverständlich ihr unveräußerliches Grundrecht ist, aber dass es ihnen gewährt wird, steht in krassem Gegensatz zu allen anderen linken und progressiven Strömungen hier). Sie sind furchtlose Kämpfer gegen eine abstrakte Vorstellung von Neoliberalismus und Imperialismus, während sie zu den konkreten Maßnahmen der neoliberalen Politik im Iran schweigen. Darüber hinaus billigen und fördern sie die imperialistischen Interventionen des Irans in der umliegenden Region mit der Begründung, dies bedeute Widerstand gegen den größeren Imperialisten. Diese komplexe Propagandamaschinerie hat die Solidarität, die unsere Gesellschaft sonst für unterdrückte Menschen auf der ganzen Welt empfinden würde, beeinträchtigt. Nationalisten nutzen die Situation aus, indem sie Slogans wie “Lasst Gaza in Ruhe, denkt an unser eigenes Volk” propagieren - und die Linke findet es schwer, inmitten dieser Propagandamaschinen einen echten Standpunkt einzunehmen.

“Wir werden auf die Straße zurückkehren.”

Für diejenigen von uns in den USA ist die imperiale Präsenz Amerikas in ganz Lateinamerika eine bekannte Tatsache. Die iranische Präsenz in der Region findet jedoch weniger Beachtung in den Medien. Wie ist die iranische Präsenz in Lateinamerika angesichts der jüngsten Äußerungen von General Salami zu interpretieren, der die Lieferung von Erdölprodukten durch den Iran nach Venezuela verteidigte und die fortgesetzte Allianz der beiden Länder feierte? Würdet ihr sagen, dass sie Teil einer größeren geopolitischen Strategie ist, oder läuft diese Allianz zwischen Venezuela und dem Iran auf die einfache Tatsache hinaus, dass beide Länder ein gegenseitiges Interesse daran haben, die durch die US-Sanktionen verursachten Auswirkungen zu mildern?

J: Ich habe kein umfassendes Wissen über diese Angelegenheit und ich habe nicht viel darüber recherchiert. Allerdings ist der Iran in Lateinamerika durch seine Beziehungen zu Kuba und Venezuela und auch durch seinen Einfluss in der schiitischen Gemeinschaft in Brasilien und in geringerem Maße auch in Argentinien präsent. Der Rechtspopulismus von Ahmadinejad und der Linkspopulismus von Chavez werden durch ihren antiimperialistischen, antiamerikanischen Diskurs vereint. Und jetzt, wie ihr erwähnt, stehen beide Länder unter US-Sanktionen und profitieren von einer gemeinsamen Allianz.

J-P: Es ist irreführend, die Präsenz Amerikas in ganz Lateinamerika mit der Präsenz des Irans zu vergleichen. Aber wenn man sich die Geschichte der Interaktionen zwischen lateinamerikanischen Ländern und ihren antiimperialistischen Verbündeten ansieht (Kuba und die Sowjetunion ist ein exemplarischer Fall), kann man keine strategische Allianz zwischen lateinamerikanischen populistischen Regierungen und dem Iran erkennen. Selbst zwischen dem Iran und Venezuela hat es kein organisches Wachstum der Beziehungen gegeben, und es ist unwahrscheinlich, dass es aufgrund der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Parteien dazu kommen wird. Andererseits ist es auch falsch, die Wechselwirkungen auf eine Reihe von Maßnahmen zu reduzieren, die die durch die US-Sanktionen verursachten Auswirkungen lindern. Die Bedeutung des internationalen Auftretens der iranischen Regierung übersteigt diese Maßnahmen von gegenseitigem Interesse. Der Iran kann die Klassenunterdrückung und die innenpolitische Unterdrückung nur aufrechterhalten, indem er sich auf das falsche antiimperialistische Bild stützt, das er auf der globalen Bühne präsentiert. Auf der anderen Seite stimmt Venezuela in Ermangelung eines echten Verbündeten diesem Bild eines internationalen Bündnisses zu, das hauptsächlich dazu dient, seine inneren Probleme zu verschleiern.

Graffiti in Tehran, 2020.

Wie sieht die Zukunft für iranische Linke innerhalb des Irans sowie für diejenigen aus, die im Ausland leben, als politische Exilanten oder anderweitig?

J: Diese Frage kann ich nur aus einer eher persönlichen Perspektive beantworten. Lasst mich hier also Kafka zitieren: “Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.” Ich denke, es gibt keine Hoffnung auf etwas. Jedes “Etwas”, das entstanden ist, hat auch die Hoffnung konditioniert, sie zu einer Aktualität verfestigt, die es zu übertreffen gilt. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Hoffnungslosigkeit in diesem Sinne - die Bestätigung der Katastrophe, die wir durchleben - auch der erste Schritt zu einer radikalen Politik sein kann: Es gibt keinen Platz mehr dafür, sich die Hände nicht schmutzig zu machen, es gibt nichts außerhalb des neoliberalen “integrierten Weltkapitalismus”, um einen Begriff von Antonio Negri und Félix Guattari zu entlehnen. Dennoch gibt es eine Hoffnung: Hoffnung auf einen kommenden Kampf, der den Raum für Hoffnung öffnet.

J-P: Bisher waren wir die No-Future-Generation der iranischen Linken, sowohl im Iran als auch im Ausland. Sicherlich sehen sich viele Generationen als “No Future”, aber ich beziehe mich nicht auf allgemeine Tendenzen oder abstrakte Konzepte. Wenn man erkennt, dass die eigene unmittelbare Geschichte jede wünschenswerte Zukunft ausschließt, lernt man allmählich, seine Wurzeln in der Gegenwart zu entwickeln. Du bist gezwungen, jedes Zwischenstadium abzulehnen und nur noch an den besten nächsten Schritt zu denken. Paradoxerweise wirst du lernen, so zu leben, als ob die Zukunft ungeschrieben wäre; eine Situation ähnlich dem Slogan “Sei realistisch - fordere das Unmögliche”

Doch das Potenzial einer ungeschriebenen Zukunft wird als Überlebenskampf auf die Gegenwart projiziert; wir können nicht überleben, ohne unsere Bedingungen sofort und radikal zu ändern. Deshalb müssen wir unsere eigene Politik des Überlebens, neue Bündnislinien, neue Formen der Selbstorganisation und der kollektiven Selbstfürsorge entwickeln. Das scheint langweilig und weit entfernt vom revolutionären Selbstverständnis vieler iranischer Linker - vor allem derer, die im Ausland leben. Aber nur dann kann die iranische Linke ihr aktuelles Potenzial in eine konkrete Alternative umsetzen - und diese Alternative würde von der Gesellschaft breit akzeptiert werden, während die gegnerischen Kräfte nicht in der Lage wären, sie zu terrorisieren.

“Strangers everywhere.” A work by Claire Fontaine.


Übersetzung aus dem Buch Covid-19 – internationale Perspektiven und Berichte

  1. In Bezug auf den Begriff “Kulturmarxist” ist es wichtig, hier die Unterschiede in der Konnotation und Bedeutung zwischen der Art und Weise, wie der Begriff in den Vereinigten Staaten verwendet wird, und der Art und Weise, wie er im Iran verwendet wird, zu beachten. Während der Ausdruck in den Vereinigten Staaten den verschwörerischen Mythos des Aufstiegs eines jüdisch-bolschewistischen Schattens hinter den liberal-demokratischen Regierungen heraufbeschwört, der versucht, die weiße, europäische Rasse zu verunreinigen, ist “Kulturmarxist” im Iran ein pejorativer Begriff, der verwendet wird, um radikale Akademiker zu beschreiben, die sich als “öffentliche Intellektuelle” wohler fühlen und mehr Zeit in Reden und geschriebene Texte investieren als in die praktischen Erfordernisse der konkreten Kämpfe vor Ort.